Dienstag, 26. November 2013

Nicht wie abermals




Betulich Regen fiel, und mehr:
es dunkelte, nicht irgendwer
stach sehr, man munkelte, hervor,
und fror, Licht funkelte, und schwer
wog dieses Leer im Mund, Kälte verlor
ihr Schwert. Es gärte, Sonne machte Kehrt,
verbrannte Ehr, verbannte Wert,
als unbeschwert erkor, die unversehrt,
ihn aus mit Aug und Hand und Spruch:
heilvolle Lindtat, wie im guten Buch.


2013

Samstag, 15. Juni 2013

Pflaumen




Im Nebel aus Blicken und Bäumen
verdunstet Holz über altem Leder; die Straße
zeigt nach Innen. In Wolken ertrinkend irren
die letzten Gedanken um Luft. Schale Gesten
zeichnen sich ab - und an. Ein neuer Hauch
wärmt sich unter die Rippen. Glas knistert
und ewiger Schnee. Irgendwo brennt noch
die letzte Erinnerung im Feuer der Sorge.


 8.2012

Dienstag, 4. Juni 2013

Schüchtern bis Autistisch




Neugierig der Verstand, will die Vorlesung hören,
doch sträubt die Psyche sich, ich weiß, warum:
in diesen Räumen hab ich nichts verloren,
allein der Weg dorthin ist ziemlich dumm -
ich bin, fürwahr, ein Menschenmengenmeider,
unnötig misch mich niemals unters Volk,
denn fühl mich dort, als fort wärn meine Kleider,
und seh nicht ein, was das Geschwätz mir soll.

Ich bin kein menschenhassend Mensch, doch werd schnell müde,
wenn um mich Menschen sind, darum kein Herdenfreund;
konterkariere indiskrete Blicke rüde,
und fürcht mich gar vorm Monster Vieleleut.
Ja einzeln sind die Menschen ganz schön putzig,
als Individuen bestimmt interessant,
doch dichter Leuteblätterwald verhält sich schmutzig,
da hat man schnell die Gartenschere in der Hand.


 2013

Montag, 20. Mai 2013

Aspergergedicht




Wie ist es denn, als Nichtautist zu leben?
Immerbesoffen - so stell ich´s mir vor:
eine Verbundenheit mit andern muss es geben,
die ich im Alkoholrausch kenne, doch nicht so.

Der Kopf ist immer an, Gedanken sprudeln,
doch quälen auch, und lassen niemals los.
Die Nichtautisten schalten ab, in Rudeln
bewegen sich und leben leicht drauflos.

Mich unterdrückt kein Gruppenzwang, bin selber
mein eigen Herr, doch auch mir selbst Tyrann.
Meine Beziehungen sind Interessenfelder -
mit einem Menschen hab mich nie zuzweitgetan.


 2013

Sonntag, 19. Mai 2013

Eitelkeit auf Erden




Ein Mensch steht unbescheiden auf zwei Beinen,
als brächte ihn kein einzig Schwert zu Fall;
preist schön die Welt, bis dieser Schweinestall
ihn plötzlich riechen lässt am Niedrigen, Gemeinen.

Ein Mensch vertraut den Menschen wie ein Kind:
nichts wird mir angetan, da ich das Gute will!
Kaum ausgesprochen dies, schon vor Entsetzen still:
Betrug und Lüge lehren ihn, was Menschen sind.

Kein Mensch zu Grabe geht, bevor die Hoffnungen enttäuscht;
niemand fährt auf, bevor die Höll ihn aufgezehret;
kein Glück auf Erden wird durch Lehrleid je gemehret.

Kein Mensch wird rein um seiner Selbst geliebt;
Gesundheit, Macht und Ehr dein Reichtum sind dem Volke,
und solang lenken ab, wie deine Lebenskraft gemolken.


 11.2012

Freitag, 17. Mai 2013

Enten




Transenten auf dem Geländer
auf Futter warteten. Es kam,
wobei ein unbekannter Gender
vorbeilichst im Kanale strahm.

Transküken ließen viele Lücken,
die Konserwäne schnell gefüllt,
und wieder konnte Ent sich bücken,
ohne dass jeent ihn transglückt.

Als zahlreich wurden Konserwäne,
derselbe Gender strahm vorbei;
bevor der Leser endlich gähne,
translassen wir es weiter frei.


 2011

Donnerstag, 16. Mai 2013

Der Wedel wedelt mit




Wes Schandschwanz glitsch auf Betten lüstert,
des Zung wie Hundi nettgedrillt;
die Bettsau redet nach dem Munde
den Hirnlosköpfchen abgefüllt,
und beide gehen sie zugrunde.

Wes Schamorgan halbwegs noch werkelt,
der fertigt dreiwegs Haltung recht
auf allen Vieren wedeltänzelnd;
was ekelt, ist der runde Ferkel,
dem kein Gewissen fällt zu Last.

Dreck klebt am Schuh wie das Gewusste,
Gesehene am Wusstsein hängt,
es schwer in Tieffression versenkt.
Dass sich noch jeder bücken musste,
der Haltung hatte, ist geschenkt.


 2011

Montag, 13. Mai 2013

Dezembervorschau




Es nieselt. Hüstelnd schlendert ins Café
ein Mann mit Hut und Hündchen an der Leine.
Schlamm, Stiefel, Stöckel, Hundekot und Beine.

Schneeregen, Eiswind, Straße, Bäume, See
stellt er sich vor, bezahlt nicht angerührten Tee,
verlässt entschlossen das Café alleine.


2011

Mittwoch, 8. Mai 2013

Rohrkolben




Rohrkolben, roh. In Gräsertiefe Zug
nach Düsterunten, weiter in den Sog.
Festhaltender, die Halme brechen, sink,
beiß in den schlingend vollen Wassermund.

Rohrkolben, rot. Licht bricht - kein Boot.
Licht bringt ein Blau, Fußsohlen sanft
am Weichkühl fahren auf, einzugraben.
Ein Wasserzug, ein letztes Ein. Rohrkolben, Rost.


2011

Sonntag, 5. Mai 2013

Goldenes




Wenn alles auf einmal Bedeutung gewinnt,
das Luftwort vom Nichts in der Sehnsucht zerrinnt,
streichelt ein liebender Eiswind das Herz,
die Seele ist wieder Kind.

Was ich heute weiß, es macht mich nicht mehr alt;
Entzaubertes längst, es lässt mich nicht mehr kalt.
Was, wenn wir nur Herbstlaub sind?
Blatt, flieg fort mit mir.


 10.2012

Samstag, 4. Mai 2013

Eisernes




Feinperlend kitzeln liebliche Sekunden
bis die Minute Bitterkeit erfährt.
Brecheisen, reingesteckt, beruhigen die Wunden,
bis mir die nächste Stunde widerfährt.

Ich seh ins dunkle Tief wie in das helle,
und nackt bei Frost auf blauem Eis verschnauf.
Wann kommt sie denn, die allerletzte Welle?
Ich rauche dich, Atemzug, noch auf.


 10.2012

Freitag, 3. Mai 2013

Funkennacht




Funkengeschwistergewirr schwirrt bald aus,
Aus dem Lichtgras sich feurig erhebend;
Funken! Nicht greifen - einfangen lebend!
Lichter der Stadt still verlassen dort unten.

Unten - da schläft sie, ihr Fenster ist auf!
Puste die Funken zu ihr, tu die Tat!
Treib alle hin und entzünde die Stadt!
Nicht erhört, nicht gesehen, wird sie erfühlen.

Asche auf Haut, Haupt auf Haupt.
Rauchen Skelette, und du rauchst auf.
Die Dunkelheit schwindet, die Sonne erscheint.

Der Dunkelheit Licht, es war heller, nun weint
Grauer Himmel zurück zu der Nacht.
Der eisige Wolkenschweif taut.


2010

Samstag, 27. April 2013

Herbst der Stadt




erlischen die fröhlichen lichter
verbrennen hochöfen die bäume
die kahlen verschneiten alleen
beherbergen leichen und blut

hinein in zerschlagene fenster
steigen die hungrigen diebe
und hausen in leeren quartieren
restpenner entzündeter strassen

die kranken bringen die krankheit
und heilen mit ihr die gesunden
von sorgen und angst um die zukunft

die letzen ansehnlichen mädchen
hängen leblos auf plakaten
die werbung vergangener tage


2007

Freitag, 26. April 2013

Willkommen in der Hölle




harmonisch versinken skelette
in blutübertrunkenem wasser
zerfallen die schäbigen säcke
am steinigen schaumigen ufer

das boot kommt und nimmt eine menge
unlustig und zaudernd steigen
die nächste die nächsten die nächsten
kommt schneller! die nächsten aufs boot!

wiederum widerlich solches:
lässt dienstmann schädel zerschellen
die waren doch von den vätern
zu zeugen die edle geburt

kamm anzug brille krawatte
das rote gesicht. fallen stücke der haut raus
man sieht wangenknochen und zähne

und dieser hier war ein professor
und jener hier gar präsident
gehen alt und gebeugt über leichen
die zahnhälse gucken schon raus

ach könnten die kinder doch nur korrumpieren
doch sind von geburt an zu alt
kein strahlen kein glanz keine frische

die wachen tun nur ihren job
wir werden dem boot nicht entkommen
auf feuriger gegenseite
der anderen seite des flusses
da macht es gerade nun kehrt

die schädel glänzen die haut ist weg
man sieht sogar hinter die rippen
die furcht sie zerfrisst die gedärme
nur fröhliches pfeifen der wachen
erheitert die sterbende seele

wer selig ist tritt die gebeine
spielt fussball mit festeren schädeln
die meisten sind doch wie papier
die schädel und ganze skelette
der starrenden harrenden menschen
sie brechen und brechen zusammen

das boot kommt nun an: unser schicksal
wir setzen uns traurig hin
die füsse im blutigen wasser
wir fahren hinein in die gluten
und fangen geschwind an zu brennen


 12.2005

Dienstag, 23. April 2013

Sonntagabend




Der See speit Baumstämme; wie Vorhänge fallen
müde Vogelscharen. Wasser gefriert zu Land,
während Kälten noch schlafen. Das Abendgrün
vor der kurzen Winternacht der Sonne zieht
sich zu; dickflüssiger Nebel steigt auf, und oben
zerfällt zu Staub, was einst Wärme versprach.


 8.2012

Montag, 22. April 2013

Fallin




mir fallen worte wie verbrecher ein
diebe der ruhe hehler der geduld
mir rollt der boden unter füssen
kindheitwärts weg ich halte mich
an fünf zeilen whisky fest

9.2009

Sonntag, 21. April 2013

Von der Erkenntnis




alles fühlen ist leider chemie
alles wissen gründet auf wenn
es könnte dunkler kommen
das ist der beste glaube
nur der regen hat recht

2010

Montag, 15. April 2013

Die Letzte Ruhe




weck mich wenn alles vorbei ist
wenn alles fortgespült
nur noch der letzte knopfdruck
so drück ich besonnen und kühl

weck mich wenn meine asche
zu rauchen aufgehört
mein letzter gang angebrochen
das letztgesagte gehört

weck mich wenn alles still ist
und ich überzeuge mich dann
dass der fluch des lebens vorbei ist
und ich ruhe finden kann


2006

Sonntag, 14. April 2013

Schneeherz




Des Gruselfreitags fürchtelsüße Nacht beginnt, und
die große Stadt pulsiert vor Jugend und Gemein-
samsein, ich sei gefragt nach der Empfindung,
die mich heimsucht, bezüglich dessen, dass allein.

Die stille Einsamkeit wohnt seit jeher in meinem Zimmer,
und keine Menschenseele weit und breit und lang.
Doch falsch gedacht: mitnichten meiner Laune Dimmer
ist dieser Umstand, mir ist´s heiter, und nicht bang:

Wo ist denn die, mit welcher wollt´ ich sein zusammen,
als ich das Wörtchen "ich" zum ersten Mal gedacht?
Der kalte Windhauch müht sich, ihre Haut nachzuahmen,
der Schneefall nach der Schneein Sehnsucht mir entfacht.

Doch sicher weiß ich längst, dass nur in meinen Träumen
das Eiskind tanzt, die dürre Katze aus feinstem Glas;
was kann ich denn von ihr im Fleischgewühl versäumen?
Sie birgt mich in ihr Schneeherz, - und die Straße gibt mir was?


2012

Samstag, 13. April 2013

Schlaflos in Stalingrad




wir essen kannibalen
wir sind hart
der führer haut uns raus

diese verfluchte stadt
der stählerne ist hart
der mannstein haut uns raus

deutsche sind stolz
wir essen kannibalen
paulus trinkt feine schnäpse

ich putze deine schuhe
schlag tot und fresse dich
und hau mich raus

der ring des uranus geschlossen
deutsche sind stolz
diese verfluchte stadt


2008

Mittwoch, 10. April 2013

Psychocop





Im Wissen, dass ich sie unmöglich kriege,
Die Fliege störte mich beim Schlafen gut.
Ich brach die Klatsche, Misserfolge feiernd.

Der Tee floss aus der Tasse auf den Teppich,
Verschüttet: "Scheiße! Fuck! Verdammt! Verflucht!" -
Die Vögel zwitscherten, die kleinen Hurensöhne.

Das Ei entglitt der ungeschickten Hand
Und fiel - wer will, verfilme es - zu Boden.
Ich schmiss die Tasse gegen eine Wand.

Der Dienst tat rufen, "Wo ist meine Knarre?"
Über den Freund und Helfer lachten draußen Rentner.
"Verfickte Vögel!" schoss ich aus dem Fenster.


2011

Dienstag, 9. April 2013

Bis bald




Ein sanfter Friede kehrte ein,
Schnee deckte weiß dein Haar,
und nur dein Blick blieb dunkel.
Du sahst mich immer, und du sahst
mich immer wieder, immer wieder an.
Welch weißes Wunder: ich sah dich.

Du flochtest Flocken in dein Haar,
sie blieben kalt und ganz: ganz du.
Ich hörte deinem Flüstern zu.
Nie wieder musst du runter, Kind,
bei Fernweh frier nicht fest:
nicht diese Welt, das Weltall rief!

Nicht lange, ein paar Dinge noch
muss ich hier tun. Dann fort.
Und morgen kann es schon so weit,
und ich so nah dir sein. Im Traum
seh ich dich immer, und ich seh
dich immer wieder, immer wieder an.


 10.2012

Montag, 8. April 2013

Fehlen




Die langen Morgen werde ich vermissen,
Sobald mein Sarg ins Erdloch wird versenkt, -
Die frühen Morgenstunden, dich, Alleine,
Die du so treu, geduldig, rein wie keine,
Und dich, mein Freund Allein, der reich beschenkt
Durch wache Geistesgegenwart die schnellen Stunden;
War nie geneigt zu Partnern, Kindern, Katzen, Hunden,
Brieffreunden, Hamstern, - mir gefällt das Reine,
Das endlos Leere, dunkel Stille, unvergänglich Eine.


 11.2010

Sonntag, 7. April 2013

Früh und Spät




Ein sehr früher Morgen ist lange geduldig,
die Laune klar und die Vorsätze frisch.
Nach Acht aufgestanden, da fühlt man sich schuldig,
und wird von der Sonne beim Hetzen erwischt.

Der Magen verweigert sich hastigem Frühstück,
halbmüde und reizbar gehst du aus dem Haus.
Die Wolken und Bäume, sie lachen dich aus.

Wer früh aufgestanden, getrunken, gegessen,
am einsamen Fenster ein Weilchen gesessen,

in Ruhe. Und zärtlich die Sonne geweckt.


 8.2012

Samstag, 6. April 2013

Menschliches Glück




Und jeden weitern Tag dem Tode näher,
und jede Nacht verkürzt die leidge Frist, -
das ist Versöhnung. Ach, wie eitel ist,
das Ende selbst vorschnell herbeizuführen!
Es kommt doch immer auf den Tod hinaus.

Was heute blüht, wird Frucht, dann Excrementum.
Was uns nachglüht, vergisst mit gutem Recht.
Was du begehrtest, überlass Hyänen.
Was man dir bietet, lerne abzulehnen.
Was heute schmerzt, das fault morgen weg.

Es ist nicht zwecklos, Laub zu durchwühlen
mit stillem Fußgang in der trüben Nacht.
Verwehr dich nicht, zu lieben und zu fühlen, -
so hast du Kurzweil in dein Leid gebracht.
Liebst aus der Ferne - kann der Tod ihr nichts.


 10.2012

Donnerstag, 4. April 2013

Der einzig Wahren




Zeig Dich, Du bist
Blicke, die leben können,
Worte, die fehlen.

Sprache, bedeutungslos
ohne Deine Alabasterhände,
die Welten zeichnen
im Eis der Zeit.

Wind, ziellos; ich, ein Fels
aus Sinndiamant
über Karbongestein.


2013

Mittwoch, 3. April 2013

Pfirsiche




Dichtes saftiges Gras unter stahlblauem Himmel -
hier auf dem Hügel endet die Straße, und man sagte mir,
du gingst hierher als Kind bei Gewitter. Ein leichter Tanz
mit den Blitzen. Sie trafen leider nicht. Wo ist deine Kindheit?

Jahreszahlen sind ohne Bedeutung seit einiger Zeit,
doch eine einzige spannt Regenbögen über unser Leben zusammen
mit dem Tod. Unsere Zahlen passen nicht zueinander, und auch
unsere Vorstellungen von der letzten Reise.

Als hättest du meinen Arm gestreift: ich habe dieses
Pfirsichgefühl auf der Haut, das sich nicht simulieren lässt,
doch ich weiß, dass es nur der Wind war. Wir sollten uns treffen,
wenn Kinder über unseren Gräbern Pfirsiche pflücken.


 8.2012

Dienstag, 2. April 2013

Der Sinne Sinn





Was bricht Eisbrecher längs entzwei,
löscht Flammen nur im Halbhauch, krümmt
den Raum zeitwärts? Wem begegne
ich nur in Schlafs alpinen Träumen?
Was gibt es nicht auf dieser Welt?

Ist Mädchen nicht des Rätsels Lösung?
Das Mädchen, eines nur, und Universum strahlt vor Sinn!
Wenn Mädchen wären, wäre Tod nicht unser Herr -
es wär das Herz. Darf ich ein Mädchen hoffen,
das nie gesehen, an der Höhlenwand erahnt?



2012

Montag, 1. April 2013

Das Kalt ihrer Hände




In einer Weltraumkapsel, schneller als das Licht,
entfernt ein Mädchen uneinholbar sich von hier.
Hier ist kein schöner Ort; und folgte jemand ihr,
so überlebte er die kalte Leere nicht.

Mit jedem deiner Schritte auf sie zu
bewegt sie sich ein Lichtjahr von dir weg.
Die Kapsel ist aus reinem Hirngespinst.

Vergessen wir das Mädchen, lieber Freund! -
wohlmeinend könnte jemand zu mir sagen,
mich mit Wohlwollen würgen und erschlagen.

Ich sage nichts, ich spare meine Worte,
und meine Blicke für das Mädchen auf.


 10.2012

Sonntag, 31. März 2013

Es sei dir stets bewusst





Das Kraftwerk vor der Tür ist still und kalt;
noch schmeckt die Luft, noch reifen Blutorangen,
das Leitungswasser perlt, die Köstlichkeit im Mund, -
du atmest durch, trabbst weiter durch den Wald.

Das Leben streicht dir eine Träne ins Gesicht,
du singst unter der Dusche, kochst den Tee,
schreibst ins Notizbuch, öffnest Fenster weit,
und gehst ganz sicher. Es ist nur der Wind,
doch in den Träumen ist er wieder da.
Dir wird so heiß, und du springst in den See.


2011

Samstag, 30. März 2013

Lonihilita





Schneeweiße Lilie, o Traube des Zorns!
Im ewgen Eis für Jahrmillionen festgehalten
sei, junges Tigerchen, dem jedes Herz zumaus.

Gleiten und Schwimmen fast, da leichter als die Luft
dein Gang, der bringt Vernunft um den Verstand.

Sei Selbstmordmuse, Langhaargott des Suizids!
Antinatale Perfektion, die nicht mehr wächst,
und niemals fällt, eiskalt und afertil!

Ein wahres Mädchen, sensenscharf und todesbleich,
dein ist das Reich, von Sehnsüchten errichtet,
vom hoffnungsvollen Wahn der Immerjugend!

Dich soll erfreuen Massenextinktion,
vulkanischer und nuklearer Winter!

Zu Füßen sind dir Knochen aufgereiht,
Generationen und Geschichten und Kulturen,
nichts weniger als alles hoch es selbst!


2012

Donnerstag, 28. März 2013

Der unsympathische Kerl




Ich trauerte - wie tief, kaum zu erahnen,
doch traute mich mit Schwermut nicht ans Licht:
Empfindsamkeit stand nicht auf meinen Fahnen,
und kauzige Bösewichte trauern nicht.

Er - traurig? Nein, er ist nur seltsam, komisch,
ganz fremd, so anders, - ihm Gefühle zugestehn?
Ihn einen Menschen nennen kann man anatomisch,
doch Mitmensch? Nein, lass uns zur Seite gehn.


9.2012

Mittwoch, 27. März 2013

Freundschaft




Freunde sind keine Steine: Freunde sammelt man nicht.
Dem Herzen sind sie nicht zum Scheine,
und für es da, wenn es bricht.

Ich könnte dir itzund schreiben: bau mich auf, mein Freund!
Ich lasse es jedoch bleiben: Leid trag ich, und wir teilen Freud.
Doch du hättest mir beigestanden: das ist es, was, Junge, zählt.
So viele Freunde verschwanden im Schoss der selbstsüchtigen Welt.

Freunde verliere ich gern, wenn sie keine mehr sind.
Auch mich halt nicht fest, wenn du spürst,
dass wir Fremde geworden.


9.2012

Dienstag, 26. März 2013

Schüchternheit Plus





Im Bauch wird mir schlecht, ich dreh mich schleunigst um,
und mache mich zur Säule, um nicht aufzufallen.
Ja, die Brünette an der Tür mit rotem Regenschirm,
tut mir seit einer halben Ewigkeit gefallen.

Sie lachen, alle drei! Weiß sie es etwa schon?
Mein Schritt tritt rücklings, sie weiträumig zu umfahren.
Gelächtermesser schneiden tief, gesalzen wird mit Hohn,
mit letztem Mut versuche ich, die Haltung zu bewahren.

Nein, alles Ignorieren nützt mir nichts:
ich weiß, dass sie es weiß, zumindest bin ich sicher,
dass ihre Freundinnen es wissen ganz genau.

Ich will entledigen mich schnell meines Gesichts;
mich zittern macht am ganzen Körper, wie sie kichern,
ich schweige stotternd und erstarrt zu Boden schau.


2012

Sonntag, 24. März 2013

Kleines Nachtgebet




Des Wahnsinns kleinstes Mädchen, verhängnisvolle Maus!
O Tode! Gleitet, frohen Wahnsinns Monde, irrwärts!
Komm mir ins Nicht, oder komm mit ins Nichts!

Zerfetzt mich, schwere Schwerter, eil im Kampfe,
o König Tod, durchstecht mich, linde Klingen!
Gar bersten will, Zernichtung muss erringen!

O! Starke Kraft, verwandelt in ein Feuer!
Atompilz, steig! Im Herzen mädchenjung,
mir Luft sei Grab, und nicht der Erde Feucht!


2012

Samstag, 23. März 2013

Aus liebender Entfernung




Im Meer, gehüllt in Nebel, ragst du, Insel,
mit hohen Klippen aus dem Blau hervor.
Unnahbar und so einsam, kindlich Mädchen,
das sich im Tagtraum aus dem Takt verlor.
Aus sichrer Ferne die Konturen deines Körpers
betrachte ich, verrückt nach deinem Blick, -
und doch in ängstlicher Bereitschaft, zu verschwinden,
falls sich dein Kopf nach hinten dreht, und ungeschickt
schau ich zu Boden statt zu dir, und schmieg mich nicht
sanft an dein Haar, das ich so süchtig rieche
vielleicht auch noch vom Mond, wenn ich dorthin,
aus Angst, dein zartes Herz zu öffnen, fliehe.


 1.2013

Freitag, 22. März 2013

Seeker




Mein Licht - es leuchtet nicht für mich allein:
es brennt dem großen Gott, der mich geschaffen
mit allen meinen Rohheiten und Waffen
nicht zum Selbstmorde, sondern um zu sein.

Auch wenn seit jeher lockt der letzte Gang
ins stille Nichts, so muss ich widerstehen,
und ohne Furcht in diesen Spiegel sehen:
die dunkle Welt. Ein ganzes Leben lang.


 11.2012

Donnerstag, 21. März 2013

17





Ein dumpfes Klopfen aus der Tür - es reißt mich aus dem Schlafe,
es ist halb Sieben, ich pack Sachen, Frühstück geht nur mit Gewalt.
Ich sitze da. Was ist des heutgen Tages hart verdiente Strafe?
Bald rollt mein Rad im dünnen Nebel auf herbstlichem Asphalt.

Ich fahr am Fluss und durch den Park, mein Herz schlägt Purzelbäume,
und komme bald am Schulhof an, vor Angst lethargisch und vor Spannung starr;
vor erster Stunde sehe ich sie nicht - vielleicht ist sie nicht da,
dann füllt die erste große Pause mit Gift des Gangs zentrale Räume.

Sie ist doch da: sie steht in einem Rudel mit drei andern Mädchen,
mein Hals ist zugeschnürt, und ich seh zu, wie noch ein Tag vergeht.
Ich quäl mich durch den Unterricht in Apathie und mit Entsetzen
erkenne auf dem Heimweg, wie es wirklich um mich steht.


2012

Mittwoch, 20. März 2013

Irr




Ich dreh, mein lieber Freund, so gut wie durch!
Weck mich, wenns schläft. Beiß zu, du Mund
hellweißer schmucker Zähne. Koche, Blut!

Haar, fall auf meine Schulter, links von mir,
Jungfrau, nimm Platz, begleite in den Wahn
den alten guten Mich, näht mich zusammen,

ihr die dem Schicksal seine Fäden zieht,
dem harten Wolfe seinen Hungerzahn.


2011

Dienstag, 19. März 2013

Augustnacht, jede Nacht




So kurz die Sommernacht, die Heide brennt, knackt trocken
der Boden unter schnellen Füßen, übereiltes Suchen
nach einem Mädchen, nein, nach zwei, die Feuer locken
schlaflose Augen in falsche Richtung, hin zum See,
wo Mondschein auf dem Wasser brennt; die Nacht kühlt aus.

Der Sternenstaub gefriert zu leis geweinten Tränen,
geruchlos; atemlos setzt sich die Suche fort,
doch Nirgendwo ist nirgends. Nimmt die Nacht ein Mädchen,
und stößt das zweite von sich in den Tag.
Das Mädchen krallt sich in die Nacht und lässt nicht los.

Fortan ist sie tagsüber unauffindbar,
ein zarter Traum, Mirage, doch flüsternd lockt die Nacht
ins weite Feld, zum See, auf leere Straßen, Gleise, Schienen,
und auf die Klippen, wenn das Herz nicht länger will.


 3.2013

Sonntag, 17. März 2013

Sehnsucht




Den Schmerz der Vernichtung in Millisekunden
erleben - am Leben, doch Leben verschwunden, -
heißt, Trug der Verbundenheit endüberwinden,
und nie mehr die Zeit mit der Suche zu schinden.

Gesichter sind Masken an leblosen Dingen,
ein Lächeln versuchst du dem Nichts abzuringen.
Du musst dich ins Dunkel von Blicken entfernen,
und ohne Verbitterung Einsamkeit lernen.


9.2012

Samstag, 16. März 2013

Entlänger




Suche das unauffindbare Mädchen
auf Feldwegen im Morgennebel,
starre in gläserne Fernen; finde
verbrannte Gräser, ins Bangen
verbannte Hoffnungen.

Suche das unaussprechliche Mädchen
hinter verlassenen Bahnhöfen:
wie alte Burgen enthüllen sie
das Herz der Unzeiten.
Gehe durchs Heidekraut hinauf
den abernächsten Hügel nichtswärts.

Suche das unfassbare Mädchen, glaube
an das unglaubliche Mädchen, fühle
die Nacht in ihrem Atem, die kühlen,
unendlichen Blicke.


2013

Freitag, 15. März 2013

Entwegt




Ich bin verschämt, verfroren,
eisstill, nachtgrau, luftschal;
zum Schein nicht auserkoren.

Verberge mich nicht - bin verborgen;
laufe nicht weg - bin fort,
versteckt am raumlosen Ort.


 9.2012

Donnerstag, 14. März 2013

Arro




Ein Narr war Arro -
teilten ihn entzwei.
Sein Herzschmerzblei -
nicht ganz bleifrei
Schwarz auf Weiß
im Ausweis
stand: Selbstmitleid.

Die Hälften barsten.
Satt Aasfresser grasten,
aasten. Nie war Fasten.
Dem Arro Trübsal, denen Tanz.
Er harrte aus,
biss sich in den Schwanz,
Mit sich selbst wurde eins,
Seitdem ist Arro ganz.


2011

Mittwoch, 13. März 2013

Nihilit




Liebe Nihilina,
lieber nicht.

Wir sind nichts
in Nihilien.

Und versteinern wir,
so wird Nihilit.


 2008

Dienstag, 12. März 2013

Wo wir stehen




Dein Name sei auf ewig ungenannt,
du Schüchterne! In dunkler Jahreszeit
du Abend, Nacht, Unsterblichkeit!
Dein Name ist mir wohlbekannt.

Am Fluss der Nebel, das ist nah bei dir,
du Immermädchen! Weht dein Winterhauch
seit diesem Frühherbst, und im Frühling auch.
Am Fluss der Nebel, da bist du bei mir.

Wir halten uns nur schweigend an den Händen,
weltscheue Träumer! Ach, dein frecher Blick
krallt sich mein Herz, und du dich fest in mich:
wir halten uns für Träume, niemals endend.


 10.2012

Montag, 11. März 2013

Nuke




Nur du verstehst mich, meine Schwester Nuke,
drückst spielend aus, was ich, Autist, nicht kann.
In Träumen schließt du meines Bunkers Luke,
und malst in Landschaften rasante Bilder dann.

Dir nah zu sein bedeutet zu verbrennen,
und dennoch spür ich dich, an mich gelehnt:
kalt sitzen wir auf Klippen und ersinnen,
was du jahrzehntelang herbeigesehnt.


 10.2012