Samstag, 27. April 2013

Herbst der Stadt




erlischen die fröhlichen lichter
verbrennen hochöfen die bäume
die kahlen verschneiten alleen
beherbergen leichen und blut

hinein in zerschlagene fenster
steigen die hungrigen diebe
und hausen in leeren quartieren
restpenner entzündeter strassen

die kranken bringen die krankheit
und heilen mit ihr die gesunden
von sorgen und angst um die zukunft

die letzen ansehnlichen mädchen
hängen leblos auf plakaten
die werbung vergangener tage


2007

Freitag, 26. April 2013

Willkommen in der Hölle




harmonisch versinken skelette
in blutübertrunkenem wasser
zerfallen die schäbigen säcke
am steinigen schaumigen ufer

das boot kommt und nimmt eine menge
unlustig und zaudernd steigen
die nächste die nächsten die nächsten
kommt schneller! die nächsten aufs boot!

wiederum widerlich solches:
lässt dienstmann schädel zerschellen
die waren doch von den vätern
zu zeugen die edle geburt

kamm anzug brille krawatte
das rote gesicht. fallen stücke der haut raus
man sieht wangenknochen und zähne

und dieser hier war ein professor
und jener hier gar präsident
gehen alt und gebeugt über leichen
die zahnhälse gucken schon raus

ach könnten die kinder doch nur korrumpieren
doch sind von geburt an zu alt
kein strahlen kein glanz keine frische

die wachen tun nur ihren job
wir werden dem boot nicht entkommen
auf feuriger gegenseite
der anderen seite des flusses
da macht es gerade nun kehrt

die schädel glänzen die haut ist weg
man sieht sogar hinter die rippen
die furcht sie zerfrisst die gedärme
nur fröhliches pfeifen der wachen
erheitert die sterbende seele

wer selig ist tritt die gebeine
spielt fussball mit festeren schädeln
die meisten sind doch wie papier
die schädel und ganze skelette
der starrenden harrenden menschen
sie brechen und brechen zusammen

das boot kommt nun an: unser schicksal
wir setzen uns traurig hin
die füsse im blutigen wasser
wir fahren hinein in die gluten
und fangen geschwind an zu brennen


 12.2005

Dienstag, 23. April 2013

Sonntagabend




Der See speit Baumstämme; wie Vorhänge fallen
müde Vogelscharen. Wasser gefriert zu Land,
während Kälten noch schlafen. Das Abendgrün
vor der kurzen Winternacht der Sonne zieht
sich zu; dickflüssiger Nebel steigt auf, und oben
zerfällt zu Staub, was einst Wärme versprach.


 8.2012

Montag, 22. April 2013

Fallin




mir fallen worte wie verbrecher ein
diebe der ruhe hehler der geduld
mir rollt der boden unter füssen
kindheitwärts weg ich halte mich
an fünf zeilen whisky fest

9.2009

Sonntag, 21. April 2013

Von der Erkenntnis




alles fühlen ist leider chemie
alles wissen gründet auf wenn
es könnte dunkler kommen
das ist der beste glaube
nur der regen hat recht

2010

Montag, 15. April 2013

Die Letzte Ruhe




weck mich wenn alles vorbei ist
wenn alles fortgespült
nur noch der letzte knopfdruck
so drück ich besonnen und kühl

weck mich wenn meine asche
zu rauchen aufgehört
mein letzter gang angebrochen
das letztgesagte gehört

weck mich wenn alles still ist
und ich überzeuge mich dann
dass der fluch des lebens vorbei ist
und ich ruhe finden kann


2006

Sonntag, 14. April 2013

Schneeherz




Des Gruselfreitags fürchtelsüße Nacht beginnt, und
die große Stadt pulsiert vor Jugend und Gemein-
samsein, ich sei gefragt nach der Empfindung,
die mich heimsucht, bezüglich dessen, dass allein.

Die stille Einsamkeit wohnt seit jeher in meinem Zimmer,
und keine Menschenseele weit und breit und lang.
Doch falsch gedacht: mitnichten meiner Laune Dimmer
ist dieser Umstand, mir ist´s heiter, und nicht bang:

Wo ist denn die, mit welcher wollt´ ich sein zusammen,
als ich das Wörtchen "ich" zum ersten Mal gedacht?
Der kalte Windhauch müht sich, ihre Haut nachzuahmen,
der Schneefall nach der Schneein Sehnsucht mir entfacht.

Doch sicher weiß ich längst, dass nur in meinen Träumen
das Eiskind tanzt, die dürre Katze aus feinstem Glas;
was kann ich denn von ihr im Fleischgewühl versäumen?
Sie birgt mich in ihr Schneeherz, - und die Straße gibt mir was?


2012

Samstag, 13. April 2013

Schlaflos in Stalingrad




wir essen kannibalen
wir sind hart
der führer haut uns raus

diese verfluchte stadt
der stählerne ist hart
der mannstein haut uns raus

deutsche sind stolz
wir essen kannibalen
paulus trinkt feine schnäpse

ich putze deine schuhe
schlag tot und fresse dich
und hau mich raus

der ring des uranus geschlossen
deutsche sind stolz
diese verfluchte stadt


2008

Mittwoch, 10. April 2013

Psychocop





Im Wissen, dass ich sie unmöglich kriege,
Die Fliege störte mich beim Schlafen gut.
Ich brach die Klatsche, Misserfolge feiernd.

Der Tee floss aus der Tasse auf den Teppich,
Verschüttet: "Scheiße! Fuck! Verdammt! Verflucht!" -
Die Vögel zwitscherten, die kleinen Hurensöhne.

Das Ei entglitt der ungeschickten Hand
Und fiel - wer will, verfilme es - zu Boden.
Ich schmiss die Tasse gegen eine Wand.

Der Dienst tat rufen, "Wo ist meine Knarre?"
Über den Freund und Helfer lachten draußen Rentner.
"Verfickte Vögel!" schoss ich aus dem Fenster.


2011

Dienstag, 9. April 2013

Bis bald




Ein sanfter Friede kehrte ein,
Schnee deckte weiß dein Haar,
und nur dein Blick blieb dunkel.
Du sahst mich immer, und du sahst
mich immer wieder, immer wieder an.
Welch weißes Wunder: ich sah dich.

Du flochtest Flocken in dein Haar,
sie blieben kalt und ganz: ganz du.
Ich hörte deinem Flüstern zu.
Nie wieder musst du runter, Kind,
bei Fernweh frier nicht fest:
nicht diese Welt, das Weltall rief!

Nicht lange, ein paar Dinge noch
muss ich hier tun. Dann fort.
Und morgen kann es schon so weit,
und ich so nah dir sein. Im Traum
seh ich dich immer, und ich seh
dich immer wieder, immer wieder an.


 10.2012

Montag, 8. April 2013

Fehlen




Die langen Morgen werde ich vermissen,
Sobald mein Sarg ins Erdloch wird versenkt, -
Die frühen Morgenstunden, dich, Alleine,
Die du so treu, geduldig, rein wie keine,
Und dich, mein Freund Allein, der reich beschenkt
Durch wache Geistesgegenwart die schnellen Stunden;
War nie geneigt zu Partnern, Kindern, Katzen, Hunden,
Brieffreunden, Hamstern, - mir gefällt das Reine,
Das endlos Leere, dunkel Stille, unvergänglich Eine.


 11.2010

Sonntag, 7. April 2013

Früh und Spät




Ein sehr früher Morgen ist lange geduldig,
die Laune klar und die Vorsätze frisch.
Nach Acht aufgestanden, da fühlt man sich schuldig,
und wird von der Sonne beim Hetzen erwischt.

Der Magen verweigert sich hastigem Frühstück,
halbmüde und reizbar gehst du aus dem Haus.
Die Wolken und Bäume, sie lachen dich aus.

Wer früh aufgestanden, getrunken, gegessen,
am einsamen Fenster ein Weilchen gesessen,

in Ruhe. Und zärtlich die Sonne geweckt.


 8.2012

Samstag, 6. April 2013

Menschliches Glück




Und jeden weitern Tag dem Tode näher,
und jede Nacht verkürzt die leidge Frist, -
das ist Versöhnung. Ach, wie eitel ist,
das Ende selbst vorschnell herbeizuführen!
Es kommt doch immer auf den Tod hinaus.

Was heute blüht, wird Frucht, dann Excrementum.
Was uns nachglüht, vergisst mit gutem Recht.
Was du begehrtest, überlass Hyänen.
Was man dir bietet, lerne abzulehnen.
Was heute schmerzt, das fault morgen weg.

Es ist nicht zwecklos, Laub zu durchwühlen
mit stillem Fußgang in der trüben Nacht.
Verwehr dich nicht, zu lieben und zu fühlen, -
so hast du Kurzweil in dein Leid gebracht.
Liebst aus der Ferne - kann der Tod ihr nichts.


 10.2012

Donnerstag, 4. April 2013

Der einzig Wahren




Zeig Dich, Du bist
Blicke, die leben können,
Worte, die fehlen.

Sprache, bedeutungslos
ohne Deine Alabasterhände,
die Welten zeichnen
im Eis der Zeit.

Wind, ziellos; ich, ein Fels
aus Sinndiamant
über Karbongestein.


2013

Mittwoch, 3. April 2013

Pfirsiche




Dichtes saftiges Gras unter stahlblauem Himmel -
hier auf dem Hügel endet die Straße, und man sagte mir,
du gingst hierher als Kind bei Gewitter. Ein leichter Tanz
mit den Blitzen. Sie trafen leider nicht. Wo ist deine Kindheit?

Jahreszahlen sind ohne Bedeutung seit einiger Zeit,
doch eine einzige spannt Regenbögen über unser Leben zusammen
mit dem Tod. Unsere Zahlen passen nicht zueinander, und auch
unsere Vorstellungen von der letzten Reise.

Als hättest du meinen Arm gestreift: ich habe dieses
Pfirsichgefühl auf der Haut, das sich nicht simulieren lässt,
doch ich weiß, dass es nur der Wind war. Wir sollten uns treffen,
wenn Kinder über unseren Gräbern Pfirsiche pflücken.


 8.2012

Dienstag, 2. April 2013

Der Sinne Sinn





Was bricht Eisbrecher längs entzwei,
löscht Flammen nur im Halbhauch, krümmt
den Raum zeitwärts? Wem begegne
ich nur in Schlafs alpinen Träumen?
Was gibt es nicht auf dieser Welt?

Ist Mädchen nicht des Rätsels Lösung?
Das Mädchen, eines nur, und Universum strahlt vor Sinn!
Wenn Mädchen wären, wäre Tod nicht unser Herr -
es wär das Herz. Darf ich ein Mädchen hoffen,
das nie gesehen, an der Höhlenwand erahnt?



2012

Montag, 1. April 2013

Das Kalt ihrer Hände




In einer Weltraumkapsel, schneller als das Licht,
entfernt ein Mädchen uneinholbar sich von hier.
Hier ist kein schöner Ort; und folgte jemand ihr,
so überlebte er die kalte Leere nicht.

Mit jedem deiner Schritte auf sie zu
bewegt sie sich ein Lichtjahr von dir weg.
Die Kapsel ist aus reinem Hirngespinst.

Vergessen wir das Mädchen, lieber Freund! -
wohlmeinend könnte jemand zu mir sagen,
mich mit Wohlwollen würgen und erschlagen.

Ich sage nichts, ich spare meine Worte,
und meine Blicke für das Mädchen auf.


 10.2012