Dienstag, 29. Oktober 2019

Frieden





Es gibt auf der Welt keine Kriege,
das Unrecht hat sich verpisst,
Kinderschänder sind alle gestorben:
Herrlich, nicht töten zu müssen!

Notwehr und Nothilfe nicht nötig,
Leiden durch Herzschmerz und Liebe
werden kuscheligkeitlich gelöst;
Selbstmord ist nicht mehr vonnöten,
Verzweiflung kennt ihr strenges Maß:
Herrlich, nicht sterben zu wollen!

Reichtum kann Schönheit nicht kaufen,
Armut lässt Menschenwürde in Ruh.
Harmonie harmoniert sich harmonisch,
Guten Liebe zartheitlich und schönisch
wird erwidert. Kein Ekel vor Küssen
ängstigt Kinder. Kein Fleisch wird verzehrt.

Blutsaugerei und Narzissmus,
Ölpest, Müllberge, Tourismus
gruseln nur noch Museenbesucher.
Herrlich, in Frieden zu leben!

10.2019

Sonntag, 20. Oktober 2019

Der Gamma





Er diskutiert so gern, und immer ist er Sieger,
weil ers so dreht. Belesen ist er schon,
liest jedem die Leviten, Worte-Krieger,
doch hinter Hochmut steckt Ressentiment.

Verachtung hat er für den Alpha übrig,
doch wenn er wichst, denkt er an dessen “Bitch”;
bei seiner Freundin kriegt er keinen hoch, die
geht offen fremd, er nennt es “Polyamorie”.

So schlecht wie ich hier würd er niemals dichten,
sieh da, er läuft rot an, mit Schaum vorm Mund
wird über mich mit seinen Buzzwords richten,
dafür hab ich nen Body, er ist rund.

Ist wortgewandt, drückt sich gut aus, spricht Bände,
wähnt sich als König, ist der letzte Knecht.
Tut sehr beschäftigt, starrt derweil auf Wände,
schleimt, schmeichelt, winselt, macht es jedem recht,

besonders Frauen, die ihn dann halt friendzonen,
weil sie auf solche Männer halt nicht stehn.
Ein Delta-Dasein würd sich für ihn lohnen,
doch seine Mittelmäßigkeit kann er nicht eingestehn.

6.2019

Samstag, 19. Oktober 2019

Hybristophilia





„Ein Schläger, Vergewaltiger und Mörder?
Hihi, ich weiß nicht, irgendwie charmant“,
sagt sie, „er ist so männlich, keine Schwuchtel“.
Relativiert, was sie gehört hat, elegant,
über das Kind, das Mädchen, das er fickte;
macht Pokerface, doch insgeheim wird geil,
malt es sich aus, was er dem Kinde antat,
und wünscht sich heimlich, zuzusehen bei

der nächsten Vergewaltigung der Unschuld.
Die anderen erfahren aber nur,
sie wolle diesen Mann vielleicht erziehen,
ihm helfen, da das Leben mitgespielt
ihm übel: „Ach! Ihr urteilt schnell und grausam,
ohne Barmherzigkeit!“ Lasst diesen Menschenschlag
euch Kälte nicht vorwerfen, scheut mitnichten,
die Abart zu benennen, die sie hat.

7.2019

Donnerstag, 17. Oktober 2019

Nächtliches Abgedicht





Wo transzendente Lüfte himmeln,
da lebt mein Herz, mein Liebesherz.
Wie lange noch die Pumpe kann indes,
ist schwer zu sagen: täglich höllt
das schwere Nichts, Gewicht am Fuß
ist mir der Mitmensch. Nihilisten
ermüden furchtbar. Schwitzen Laken
vor Kopfschmerz. Menschliche Kloaken,
Narzissten, saugen wie Vampire
mein Leben aus seit kindheitfrüh.

Die Existenz prekär gehalten
durch ein System, das Satanisten,
Insekten, Schweine feiert groß.
Mir bleibt nur Einsamkeit und Tod:
Ein Leben, um zu überleben,
um dann zu sterben?
Nun, warum nicht gleich?
Organe spendet meine Leich
als letzte gute Tat von vielen.

Verbrecher töt und lass mich killen?
Sterb öffentlich als Tierschutzheld?
Im Kriege fall gegen die Türken?
Sterb lieber leise, schlaf am Meer
gemütlich ein und flieg zuseelen
wo mich längst Kittenchen und Maus
in Engelsreinheit lieb erwarten?
Hier ist nicht hier, das Ich ist leer,
und wird mit Siebzig auch nicht voller.
Großtod, Kleintod: das wäre toller.
Dort lebt mein Herz, mein Liebesherz,
wo transzendente Lüfte himmeln.

10.2019

Mittwoch, 16. Oktober 2019

Redered





Aus meinem Hostel ausgecheckt noch lebend
schlich ich, die Stadt war wie nach einer Purge.
Schaufenster von Hell-Reisen: sieben Sägen,
am Teddybärenfriedhof goss der Regen
blauschwarze Trauer sommerglau, auf Wegen
zum Friedhof meines Vaters, der noch lebt,
sang meine Schwester, tote Blumen pflückend
mit monotoner Stimme: Redered.

Entstellt und seelenlos zerkratze Fred
Automobile, Hausfassaden, Zombies,
bevor Christine ihn überfuhr, und wir,
mein Hund und ich, auf ewig stille Brüder
die Straße runter schaukelten, und über
den Bäumen sang der Wind, pfiff nimmermüde
das Wort der Nacht des Waldes: Redered.

Im Rhythmus stampften Füße über Pfützen,
die Mutter wollte ich davor noch schützen,
doch sie, ein kalter Apfel, fiel und rollte,
ich hinterher mit rhythmischer Bewegung,
wild schaukelnd, wilder wankend, nass und fett
von schwüler Schweineluft, die Fresse oft
mit feuchten Tüchern wischend, und mit Kraft
laut singend, tief und heiser: Redered.

Ach hätten die Dämonen doch gewarnt,
dass Schattenarbeit nicht zu ihnen führt,
und ich erkannte, wer mein Schicksal rührt,
und wurde lahm und kindlich, klein und weise.
An einem Grabstein endete die Reise;
ich fror und fluchte ohne Stimme, sang
ein Vogel mir von meinem Freund und bang
sah ich ins Grabloch, wo er lag, ein Stein
mit Schwarz auf Schwarz benannter: Redered.

10.2019